Nach 25 Jahren und 10 Abstimmungen haben die Bündner Männer am 21. Juni 1925 beschlossen, das Verbot des Autofahrens auf Bündner Strassen doch wieder aufzuheben. Dies vor allem, nachdem sie im Ersten Weltkrieg und danach gesehen haben, dass das Auto auch Vorteile für die Bündner Bevölkerung hat. Sei es in Notfällen, wenn ein Arzt gebraucht wurde, oder auch als Transportmittel, um Waren und Personen schneller und bequemer zu transportieren.
Die Bündner Regierung hatte die Autos auf den Bündner Strassen am 17. August 1900 verboten, nachdem es immer wieder hiess, dass es fast zu Unfällen mit diesen Automobilen gekommen sei und nur mit viel Glück nichts Schlimmeres passiert sei. Diese «schnellen, lärmenden, stinkenden und viel Staub verursachenden motorisierten Fahrzeuge», seien eine Gefahr für alle auf der Strasse, konnte man immer wieder in den Bündner Zeitungen lesen. Das Ja des Stimmvolks vor 100 Jahren hatte einen sehr grossen Einfluss auf Graubünden, auf seine Wirtschaft und das Leben aller, die im Bergkanton mit seinen 150 Tälern lebten.
Ohne Auto eine Wüste?
Hätte Graubünden an das Verbot des Autoverkehrs festgehalten, wäre der Kanton laut der heutigen Regierungsrätin Carmelia Maissen wahrscheinlich zu einer Art Wüste geworden. «Weltweit kann man feststellen, dass die allgemeine Entwicklung, die Entwicklung der Gesellschaft und der Wirtschaft in den letzten 150 Jahren stark mit Mobilität und Erreichbarkeit einer Region zusammenhängt», sagt die Vorsteherin des Departements für Infrastruktur, Energie und Mobilität. Es sei daher vielleicht auch ein bisschen illusorisch zu denken, dass es in Graubünden noch bewohnte Dörfer und Städte ohne das Auto gäbe.
Die Frage ist, ob hier noch Menschen wohnen würden. Ich denke eher nicht.
Auch der Tourismus hätte sich so nicht entwickeln können, wie er sich in den letzten 100 Jahren entwickelt hat. «Wie würden die Gäste dann in diese Orte kommen, die nicht an die Bahn angeschlossen sind, wenn auch das Postauto verboten wäre», gibt der Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Soziales des Kantons Graubünden zu bedenken. Damit sich die Wirtschaft entwickeln könne, brauche sie eine funktionierende Logistik und diese sei ohne das Auto nicht möglich, so Marcus Caduff.
Ich denke nicht, dass wir ohne das Auto eine starke Wirtschaft hätten.
Das Auto hatte und habe auch heute noch viele Vorteile für Graubünden und die hier lebende und arbeitende Bevölkerung, sind beide Regierungsräte überzeugt. In Zusammenhang mit der Infrastruktur, die mit dem Auto entstandenen ist, sei es eine grosse Hilfe für das Alltagsleben der Bündnerinnen und Bündner. «Es gibt so nicht nur Arbeitsplätze in den Zentren, die leicht zugänglich sind, sondern auch in den Regionen», erklärt Carmelia Maissen.
«Wirtschaftlich ist klar, das Auto hilft, dass unsere Gäste überhaupt zu uns kommen», sagt Marcus Caduff und fügt hinzu, dass auch die Unternehmen in Graubünden so erreichbar seien und die Logistik auch in entlegeneren Gebieten funktioniert. «Ich glaube, ohne Auto würde unsere Wirtschaft ganz anders aussehen und ich glaube auch nicht, dass wir dann eine starke Wirtschaft hätten», so der Chef des Departements für Volkswirtschaft des Kantons Graubünden.
Blick in die Geschichte
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Bild 1 von 8. Mit den Ski ins Engadin. Bereits 1929 wurden die Ski auf das Autodach montiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 8. Internationales Rennen in St. Moritz. Am Bahnhof St. Moritz sind die Autos parkiert, welche am internationalen Autorennen der Alpen 1934 teilnehmen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 8. Internationales Rennen in Disentis. Die Adler-Fabrikmannschaft kontrolliert ihre Autos anlässlich der Internationalen Alpenfahrt 1934. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 8. Internationales Rennen in Disentis. Die Kontrolle bei Disentis auf der Internationalen Alpenfahrt 1934. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 8. Internationales Rennen in St. Moritz. Das Ziel der zweiten Etappe der 8. Internationalen Alpenfahrt 1936, St. Moritz, 1936 vor dem Kulm Country Club in St. Moritz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 8. GR 3. Der Schriftsteller John Knittel pflegt sein Auto vor seinem Zuhause in Maienfeld. (ohne Datum). Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 8. Autorennen. Willy Peter Daetwyler mit seinem Alfa Romeo 412 am Bergrennen Maloja zwischen dem Oberengadin und dem Bergell. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Autoverbot in Graubünden (1900-1925). In Scuol Tarasp wird 1909 ein Auto mit Pferdekraft durchs Dorf gezogen. Bildquelle: Archiv da stadi StAGR FN XII Nr. 11319a/A // nossaistorgia.
Seit das Bündner Stimmvolk am 21. Juni 1925 das Autofahr-Verbot auf allen Strassen aufgehoben hat, entwickelte sich Graubünden zu einem motorisierten Kanton. Mit aktuell 126'000 gemeldeten Personenwagen und insgesamt 200'205 Fahrzeugen hat Graubünden auch viel Verkehr durch seine Einwohnerinnen und Einwohnern. Am stärksten ist die Zahl der Fahrzeuge in den Jahren 1960 bis 1980 gewachsen. Damals verzeichneten die Ämter ein jährliches Wachstum von 5 bis 10 Prozent. Seit 1980 ist das Wachstum dann mit 1 bis 4 Prozent geringer. «Heute gibt es in Graubünden pro Einwohner mehr Autos als in der restlichen Schweiz», sagt der Historiker Simon Bundi, der zusammen mit seinem Team die Motorisierung Graubündens der letzten 100 Jahre erforscht hat.
Das typische Bündner Auto
«Klein, kompakt, schwarz und günstig muss es sein.» Jede und jeder hat wohl eigene Vorlieben, wie das Auto sein soll. Was das typische Auto von Bündnerinnen und Bündnern ist, ist nicht klar. Es gibt keine Statistik mit den beliebtesten Automarken der Bündner Bevölkerung. Auch nicht, welche Autotypen oder Farben bevorzugt werden. Die einzige Statistik, die in diesem Zusammenhang vom Strassenverkehrsamt zugänglich ist, ist der Motortyp. Zurzeit dominieren Benzinautos den Markt und die Bündner Strassen. Gut die Hälfte der Personenwagen sind Benziner, rund ein Drittel der Autos fahren mit Diesel, jedes Zehnte ist ein Hybrid und jedes Zwanzigste ein Elektroauto.
Strassen, Strassen, Strassen
Um die Welt und alle Menschen im grössten Kanton der Schweiz miteinander zu verbinden, braucht es Strassen. Das Strassennetzwerk Graubünden, mit seinen 150 Tälern, ist deshalb mehrere hundert Kilometer lang: Es umfasst 537 km Hauptstrassen, 822 km Verbindungsstrassen und mit den Nationalstrassen N13, N28 (Prättigauerstrasse) und N29 (Thusis-Tiefencastel-Silvaplana) kommen nochmals 222 km dazu. Insgesamt können Autofahrerinnen und Autofahrer so auf insgesamt 1’571 km Strassen im Kanton Graubünden fahren.
Gut – teilweise zu gut – befahrene Strassen
Nicht immer ist der Transitverkehr schuld am Stau in Graubünden. Laut Zählungen des Bundesamts für Strassen ASTRA hat der Transitverkehr Richtung Süden an Pfingsten 2025 nur rund 40% des gesamten Verkehrs ausgemacht: das bei maximalen Frequenzen. Über das ganze Jahr gesehen, fahren täglich rund 50'000 Autos über die A13, rund 15'000 über die Kantonsstrasse H13 in Chur West und 12 000 über die Kantonsstrasse H27 in Celerina Islas.
301,5 Millionen jährlich für die Bündner Strassen
Das Auto verursacht auch Kosten für sichere Strassen. Das Tiefbauamt Graubünden rechnet jährlich mit Kosten von rund 269,1 Millionen Franken um die Kantonsstrassen zu unterhalten und 32,4 Millionen Franken für die Nationalstrassen. Dazu kommen noch 30,2 Millionen Franken für den Winterdienst.
Aus dem Archiv – Zeitzeugen berichten